Sonntag, November 18, 2012
Lêonie, sagte mein Großvater,
Lêonie, sagte mein Großvater, als wir nach Hause kamen, heute hätte ich wirklich gern gesehen, du wärest bei uns gewesen. Du hättest Tansonville nicht wiedererkannt. Ich wagte es nur nicht, sonst würde ich dier einen Zweig von der rosa Dornenhecke mitgebaracht haben, die du so sehr liebst. mein Großvater schilderte meiner Tante darauf unseren Spaziergang, sei es, daß er sie zerstreuen wollte, sei es, daß er nocht nicht aufgab, sie doch einmal zum Ausgehen zu bewegen. Diesen Besitz aber hatte sie immer besonders geliebt, und außerdem waren die Besuche Swanns die letzten gewesen, die sie noch angenommen hatte, als sie ihre Tür bereits für alle anderen Leute verschloß. Und ebenso wie sie, wenn er jetzt einmal nach ihr fragete (sie war die einzige von uns, die er noch gelegentlich besuchen kam), ihm sagen ließe, sie sei müde, aber das nächste Mal werde sie ihn gewiß empfangen, so meinte sie an diesem Abend auch : "Ach ja, wenn einmal ein recht schöner Tag ist, lasse ich mich im Wagen bis an das Parktor fahren." Sie sagte es und meinte es auch. Sie hätte sehr gern Swann und Tansonville wiedergesehen; aber der Wunsch war für ihre Kräfte bereits genug, eine Verwirklichung wäre bei weitem zuviel für sie gwesen. Manchmal verlieh ihr das schöne Wetter eine Anflug von Kraft, sie stand auf und kleidete sich an; doch die Ermüdung setzte ein, bevor sie ins andere Zimmer ging, und dann wollte sie wieder zu Bett. Was bei ihr schon begonnen hatte - nur früher als üblich -, war der große Verzicht des Alters, das sich zum Sterben rüstet, sich sozusagen verpuppt; bei langen Lebensabläufen kann man selbst zwischen einstigen Liebenden, die leidenschaftlich einander zugetan waren, unter Feunden, die durch die stärksten geistigengeistigen Bande geeint waren, feststellen, daß sie von einem gewissen Jahre an die Reise oder den Ausgang nicht mehr unternehmen, die notwendig wären, um sich zu dieser Welt die Verbindung zwischen ihnen aufghört hat. Meine Tante wußte sicher ganz genau, daß sie Swann nicht mehr wiedersehen, daß sie niemals mehr das Haus verlassen würde, aber diese endgültige Abschließung wurde ihr wahrscheinlich ziemlich leicht aus dem gleichen Grunde, der sie in unseren Augen eher schmerzlich hätte erschienen lassen: nämlich daß diese Abschließung ihr durch die Verminderung ihrer Kräfte, die sie täglich feststellen mußte, gebieterisch auferlegt wurde, da allmählich jede Tätigkeit, jede Bewegung für sie von Ermüdung, ja Schmerzen begleitet waren, wohingegen Untätigkeit, Einsamkeitund Schweigen für sie die tröstliche, gesegnete Süße der Ruhe hatten.
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